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Editor: urs
Time: 2023/02/06 17:19:55 GMT+1 |
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changed: -Damen! Herren! Sie sind ein bisschen gestört. -Dass sie hier sitzen, scheint mir fast unerhört! -So kopflos ins Konzert flanieren, -und nachher auch noch zu dinieren. -Wo man derart den Lüsten frönt, -da wird der Zeitgeist arg verhöhnt. -Hätt sie der Verstand getrieben, -wären sie Zubaus geblieben, -hätten das Geld brav assortiert - Damen! Herren! Sie sind ein bisschen gestört. - Dass sie hier sitzen, scheint mir fast unerhört! - So kopflos ins Konzert flanieren, - und nachher auch noch zu dinieren. - Wo man derart den Lüsten frönt, - da wird der Zeitgeist arg verhöhnt. - Hätt sie der Verstand getrieben, - wären sie Zubaus geblieben, - hätten das Geld brav assortiert
Texte zu König Ubu. Aufführung in der Konzerthalle St. Gallen
"Musique pour le souper du Roi Ubu" von Bernd Alois Zimmermann
Couplet 1
morgen früh zur Bank transportiert. Angesichts der Sparmilliarden müssten sie nicht länger darben. Und abends vor dem Fernseher dann, fing das Leben erst recht an; Wenn sie spät denn Dow Jones zeigen hui, da wird ihr Blutdruck steigen! Ja, so friedlich möchte man sterben, froh umringt von seinen Erben.
Couplet 2
Lustig, lustig klingt der Reigen, wenn die Fideln und die Geigen so beschwingt ihr Können zeigen. Würden die da beim Regieren auch so tapfer dirigieren, würden wir gern applaudieren. Aber ach, der Geigenbogen, er wird hin und her gezogen, als ob es eine Säge wär. Wie die zu unsern Staatsfinanzen a capella Tango tanzen, hören sie doch bitte her, wenn der Leuenberger leise, Neat singt in einer Weise, als hätt er keine Töne mehr. Während da die sieben Pfeifen mutig nach Europa greifen, pfeift der Blocher nur das hohe C, und von Kandersteg herunter tönt zu all dem, immer munter, Ogi’s Alphorn hinterhe - er. Bei so vielen Dissonanzen wird Musik nur noch zur Qual, also klatscht ihr lieben Leute, bei den Klängen hier im Saal.
Couplet 3
Als die Menschen noch am Galgen hingen, beim Duell das letzte Öl empfingen, war das nicht ein fröhlich Sterben? Wie die heut die Leichen bergen, auf der Autobahn, es ist ein Grauen, nein, sie sind nicht anzuschauen, die Kinder auf den Tellerminen, während wir uns hier bedienen, am Buffet gelangweilt unsre Köpfe drehn: Haben sie heut König Ubu schon gesehn?
Couplet 4
Hänschen war noch nie ein Licht, aber, dank Computer, fällt das gar nicht ins Gewicht, sogar rechnen tut er.
Hänschen ist ein armer Wicht, kläglich jammern tut er: Hans kriegt seine Rente nicht, schuld ist der Computer!
Ach, ist der Computer blöd, Hänschen kann nicht lachen. Alles, meint er drum ganz schnöd, muss Hans selber machen.
Couplet 5
Verzeihn sie, wenn ich ungereimt parlier... zuweil den Faden sogar ganz verlier. Meiner Mutter Seele, es hat sie schwer getroffen... die Hebamme war, bei meiner Niederkunft...besoffen. Heut ist man diesbezüglich nicht mehr so in Nöten, dagegen treibt s die Wirtschaft bös mit ihren Föten. Sehr zum Aktionärsentzücken darf man da die Luft abdrücken, ja, da wird ganz unverfroren, jede Missgeburt geboren, Hauptsache, 's wird Gewinn geschrieben... ...derweil wird meinesgleichen abgetrieben.
Ha!
Couplet 6
Beim Soupée dann, nicht vergessen, Rindfleisch sollten sie nicht essen. Schweinepest? Naja, man sagt, das geht o.k. Hühnchen sicher, Salmonellen sind passé. Nitrat schmeckt besser, möcht ich wetten, im Salat, statt in Tabletten. Sollten sie beim Flunder Bauchweh kriegen, kann das an den Schwermetallen liegen. Zum Dessert hingegen äusserst gut bekommen, Lysterien, in Massen eingenommen. und, beim Heimfahr'n, tut man gut: Niemals mehr Glykol am Hut!
Urs Welter für Konzertverein St. Gallen
Aufführung in der Tonhalle St. Gallen, 30.10.1997